Die Orgel von Kilgen&Sons in Coffeyville, Kansas

Die 1922 erbaute Orgel in der First United Methodist Church, Coffeyville, Kansas zeigt wieder einmal, dass die handwerkliche Tradition dafür ihre Wurzeln häufig in Europa, genauer gesagt in Deutschland hat. Ein Sebastian Kilgen baute seine erste Orgel um 1640 im schwäbischen Durlach; seine Kenntnisse und Kunstfertigkeit wurden Generation für Generation weiter gegeben, bis im Jahre 1851 ein Georg Kilgen seine erste Fabrik in New York City gründete. Als er 1873 starb, siedelte sein Sohn Charles den Betrieb nach St. Louis um. In den folgenden 50 Jahren wuchs die Firma so stark, dass sie einer größten Orgelhersteller des Landes wurde. Neben Instrumenten für Kirchen- und Konzert baute Kilgen auch Theaterorgeln, von denen eine der bekanntesten 1927 im Piccadilly Theatre in Chicago installiert wurde.
Das elektro-pneumatische Instrument in der Methodistenkirche mit seiner warmen Grundstimmung und Expressivität war von Anfang an für den Einsatz in der Gemeinde - als Rückgrat vieler amerikanischen Kirchen - konzipiert. 1988 erfolgten dann einige Modifikationen wie Einbau von Halbleiter-Relais (Triac-Steuerungen), ein neuer abgesetzter Spieltisch, eine Mixtur mit drei Ranks (komplette Pfeifenreihen) und eine 8'-Trompete im Pedal. Alle anderen Teile sind original erhalten, so dass die Orgel heute 20 Ranks mit zwei Manualen und Pedal hat. Haupt- und Schwellwerk stehen in Schwellkästen, während das Pedal offen und zwischen den Kammern angeordnet ist. Die später installierte Original-Konsole hat Registerzüge; es ist unbekannt, ob es davor jemals Kombinationen gegeben hat.

Der Produzent des zugehörigen Sample-Satzes (ab HW v3.00) und Organist mit Kirchenpraxis seit 1979 ist Gary Jordan als Chef der gleichnamigen Enterprises, im Netz erreichbar unter Organ Expressions. Das Unternehmen (Motto: Tools for the electronic organ) bietet einen recht weiten Bereich an professionellem Service und Dienstleistungen wie MIDI-Spieltischkonversion, Zusammenstellungen von Lautsprecherpackungen, Durchführung von Gesamtprojekten sowie An-und Verkauf von Gebrauchtware. Auch Vorschläge für das Sampeln einer für die Allgemeinheit interessanten Orgel werden entgegen genommen.
Der Sample-Satz dieses Erstlingswerks wurde in M/S-Technik (einem speziellen Mikrofonieverfahren) im Format 24 Bit /48 kHz aufgezeichnet; ihre Vorteile sind genau definierbare Basisbreite und relativ geringe Schallaufnahme von rückwärts (also aus dem umgebenden Raum). In Verbindung mit dem Aufnahmeabstand von etwa 1,50 m bis 2,40 m - wenn erforderlich und insofern vorhanden auch innerhalb des Schwellkastens - entstehen mit dieser Methode betont hallarme Samples von jeder einzelnen Pfeife mit etwa 3,5 bis 5 s Länge, die später drei Loops enthalten.
Schon bei der Aufzeichung wurde darauf geachtet, dass die jeweiligen Ranks im Klangeindruck möglichst perfekt zueinander passen. Offensichtlich hat man für zukünftige Aktivitäten ein Standardverfahren entwickelt, mit dem sich auch Theaterorgeln sampeln lassen. Der Satz hat 'just for fun' ein 25-töniges Glockenspiel und wird per Download oder auf DVD geliefert; er benötigt etwa 1,2 GByte an Speicherplatz und kann selbst mit der Free Edition von Hauptwerk, wenn auch mit einigen vorgegebenen Einschränkungen, gespielt werden. Die Stimmung steht auf a = 440 Hz mit gleichförmiger Temperatur.
Beim Sample-Satz gibt es nur ein Fenster für die virtuelle Konsole. Sein unverschnörkeltes Layout mit gut erkennbarer Werkzuordnung bietet reichlich Platz für Manuale und Pedal, sämtliche Wippen für Register, Tremulanten und Koppeln, 20 nur hier vorhandene Setzer (mit fünf werkbezogenen und fünf allgemeinen Voreinstellungen) plus Set und Abschalter sowie schließlich die beiden Schwellpedale. Eine Dispositionsliste enthalten die Organ Expressions-Seiten.

Virtueller Spieltisch

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Es gibt absolut keinen Grund, wegen der Opuszahl 7191 die Nase zu rümpfen: Die Kilgen-Orgel ist zwar ein Serienprodukt der Industrie, kann aber auch als Sample-Satz mit anderen, maßgefertigten Vorbildorgeln durchaus mithalten. Auf den Webseiten wird berichtet, dass das reale Instrument in vorzüglichem Zustand ist. Die zweckmäßige Auslegung der Disposition lässt auf einen reichen Erfahrungsschatz schließen; sie bietet trotz der 'nur' 20 Register inklusive der drei Zungenstimmen und immerhin einer Mixtur reichlich Farben für eine vielseitige Repertoiregestaltung. Immerhin gibt es Schwellwerk Intramanualkoppeln für 16' und 4'-Lage.
Über ein tolerierbares Maß hinausgehende Lautstärkeunterschiede zwischen gleichen Fußlagen gibt es nicht, und die beiden 16'-Stimmen im Pedal zeigen (offensichtlich wegen moderater Stehwellenbelastung bei der Aufnahme) einen angenehm gleichförmigen Verlauf. Das in der Disposition fehlende 8'-Register im Pedal ist im Sample-Satz (als Transmission?) vorhanden. Immerhin kann man mit zwei Schwellpedalen für die Manualwerke manche Balance-Schwierigkeit ohne aufwändigen Eingriff ausgleichen. Angenehm fallen die 16'-Stimmen im Pedal mit ihren interessanten und in sich stimmigen Einschwingphasen auf.
Die Demo-Clips, besonders der mit einigen ausgewählten Pfeifenreihen (selected ranks, klugerweise verzerrungsarm im wav-Format) liefern einen zuverlässigen Eindruck dessen, was den potentiellen Nutzer erwartet. Ein Qualitätskriterium sollte dabei nicht vergessen werden: Wie die Phasenkorrelationsanzeige erkennen lässt, nutzen die Register der Kilgen-Orgel die Stereobasis in vorbildlicher Weise. Möglicherweise wird man beim häuslichen Spiel um einen Hallzusatz nicht herumkommen, falls die sehr trockene Wiedergabe nicht gefällt.
Wer den öffentlichen Einsatz oder kommerzielle Aufnahmen plant, sollte sich wegen einer entsprechenden Genehmigung und der Einhaltung einiger Bedingungen mit Jordan Enterprises in Verbindung setzen.

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