Die Composite-Orgel von South Suffolk

Es ist pure Absicht, dass der Prospekt der Hart-Orgel in der Kirche von Little Waldingfield hier nochmals erscheint, denn South Suffolk kann ein solches Instrument und damit auch einen eigenen Prospekt nicht aufweisen, da es nur in Hauptwerk existiert. Lavender Audio hat sie aus großen Teilen des Hart-Instrumentes in Little Waldingfield, einigen zusätzlichen Ranks der achtregistrigen Groton-Orgel aus dem gleichen Programm und aus anderen Quellen digital/elektronisch zu einem Instrument mit 25 klingenden Stimmen zusammengesetzt.
Orgelbits weicht hier bewusst von der Haltung ab, keine solchen hybriden Konstrukte zu besprechen, weil das Quellenmaterial von realen Vorbildern stammt und der Vergleich zwischen den bekannten Spender-Instrumenten sowie dem Endresultat von zusätzlichem Interesse sein mag.
An die Stelle eines Abrisses der Entstehungsgeschichte der Orgel tritt ein Schema, das die vielen Möglichkeiten digitaler Tonbearbeitung zur Schaffung eines neuen Opus aufzeigt. Tatsächlich entspricht das Hauptwerk (Great Division) größtenteils dem des Waldingfield-Instruments, allerdings mit einigen Verbesserungen. So erstreckt sich die Dulciana jetzt durch Re-pitching vorhandener Samples bis zum Tenor-C und die Flute 4' hat vollen Manualumfang. Unterhalb des Tenor-F stammen die Töne vom Stopped Diapason.
Das Schwellwerk erhielt einen Open Diapason vollen Umfangs, wobei die untere Oktave teilweise re-pitcht - also unter Wahrung der Obertonzusamensetzung in ihrer Tonhöhe verändert - wurde, teilweise stammt sie von der Groton-Orgel. Re-Pitching hat auch die Viol da Gamba bis zum unteren G erweitert. Mit sorgfältigem Re-Pitchen entstand zudem aus der Viol eine wirkungsvolle Voix Celeste. Die vorhandene Oboe wurde leiser gemacht und ergibt nun eine geeignete chorische Zungenstimme. Das Cornopean des Groton-Instruments erhielt 8'- und 16'-Ergänzungen, dabei sind die untersten 12 Noten des 16'-Registers neue Samples. Von der gleichen Groton-Orgel stammt der Bourdon im Pedal; man hat ihn in beiden Richtungen erweitert, so dass daraus ein 32'-Subbass (per Re-Pitching) und mit neuen Samples eine Bass Flute 8' entstand. Neue Samples waren auch nötig, um einen Principal 8' und einen erweiterten Fifteenth 4' im Pedal enstehen zu lassen. Die Double Trumpet 16' hat man einfach dem Schwellwerk entnommen.
Die Entstehungsgeschichte der neuen Register ist nochmals in der Dispositionstabelle nachzulesen. Wer gern wüsste, was die englischen Bezeichungen bedeuten, findet ausführliche Erklärungen unter www.organstops.org. Alle Pfeifensamples wurden im Format 44,1 kHz/16 Bit aufgezeichnet und haben nur eine Loop. Wind-, Register- und Manualgeräusche sind ebenso wie die des Schwellkastens vorhanden, können aber im Windfenster bis zur kompletten Abschaltung fein dosiert werden.

Die Ausstattung mit Setzern ist reichlich: Je sechs von ihnen für Haupt- und Schwellwerk im Register/Setzer-Fenster, während die Pedalsetzer aus Platzgründen als Fußpistons im Hauptfenster verbleiben mussten. Auch für die werkbezogenen Rückstellsetzer (Cancel) war kein Platz mehr; sie sind jedoch alle per MIDI (und im entsprechenden Konfigurationsmenü) zugänglich. Von den werkübergreifenden Setzern gibt es nicht weniger als 20, zuzüglich Absteller (Cancel) und Set.
Das Ein-Schleifen-Prinzip macht sich beim Speicherbedarf bemerkbar: Der gesamte unkomprimierte Satz benötigt nur 1060 MByte freies RAM - ein Wert, der sich auf 780 MByte verringert, wenn man jeden Rank komprimiert.

Virtueller GesamtspieltischDetaildarstellung mit Setzern

Bilder anklicken für größere Darstellung. Dann zurück mit Browser (Pfeiltaste "Zurück")

Die absichtlich nicht der Realität entsprechenden Größenunterschiede zwischen Manubrien und Setzern dürften den Zugriff auf die Bedienelemente z. B. mit einem Touchscreen deutlich erleichtern, wie überhaupt die Manubrien sowohl von der Animierung (Ein/Aus) als auch der Farbänderung her angenehm ins Auge fallen. Und Besitzer mehrerer Hauptwerk-Orgeln werden die Schilder für die Werkzuordnungen zu schätzen wissen. Auch wenn man Anhänger einer möglichst vorbildnahen Darstellung des virtuellen Spieltisches ist, sollte eine solche Orientierungshilfe in Hauptwerk von den Sample-Satz-Produzenten ganz allgemein angeboten werden.
Was den Gesamtklang der nur-virtuellen Orgel von South Suffolk anbetrifft, so sind keine großen Unterschiede zum Instrument von Hart festzustellen. Ebenso wie dieses ist es nicht auf Brillianz getrimmt, sondern zeigt in den Labialen milde, verschmelzungsaffine Farben, zu denen die Zungenstimmen trotz ihrer ähnlichen milden Auslegung gut kontrastieren. Dass kein Gefühl der Monumentalität aufkommt, dürfte auch am kurzen Nachhall liegen, der dennoch wegen der erkennbaren (angenehmen) Rückwürfe eine zur Orientierung beitragende Räumlichkeit hat.
Irgendwelche Stöße bei benachbarten Noten, hervorgerufen durch re-pitchte oder sonstwie entliehene Pfeifensamples, sind nicht zu erkennen. Allenfalls könnte man anmerken, dass sich durch die Ableitung von zusätzlichen Tönen im Pedal eine gewisse Uniformität erkennen lässt; sie wird glücklicherweise meist maskiert durch nach wie vor ungetrübte Lebendigkeit der Register in den mittleren und oberen Manuallagen. David Butcher von Lavender Audio bedauert zwar, dass die Sample-Aufnahmen in die Übergangszeit von HW 1 zu HW 2 fielen und deshalb "nur" im 44,1/16-Format stattfanden; aber die gebotene Qualität ist dennoch tontechnisch ohne Tadel.
Die Demo-Clips enthalten Werke von Bach, Krebs, Mendelssohn, Saint-Saens und die Elegy von Thalben-Ball. Merkwürdigerweise fehlt dem letzten Satz aus der Mendelssohnschen Sonate Nr. 4 der verbindende Raum, während viele andere Kompositionen auch unter dem kammermusikalischen Ambiente bestehen können.

Zur Hauptseite  |  Sample-Sätze für Hauptwerk