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Die Vermeulen te Weert-Orgel in Heteren (HW 1) |
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Die Orgel von Heteren, Provinz Geldern am Niederrhein, hat einen selten anzutreffenden Standort; sie steht in in einer Jahrhunderte alten Scheune, die einstmals zur vorsorglichen Bergung des Viehs bei Hochwasser diente, daher der Name Vloedschuur (Flutscheune). Ursprüngliche Überlegungen, sie abzureißen gab man bald auf, da der Gemeinde eine richtige Kirche fehlte und die Scheune nach einigen dringend nötigen Umbauten gut als Versammlungsraum geeignet schien. Denn obwohl der Bau recht heruntergekommen war, hatte er einige Qualitäten aufzuweisen, so halten ihn beispielsweise solide Balken aus ganzen Baumstämmen zusammen. Das Dach ist zur Hälfte rietgedeckt. Nach der kompletten Restaurierung war wegen Geldmangels lange Zeit nicht an eine geeignete Orgel zu denken. Völlig unerwartet wurde dann der Gemeinde ein Instrument aus dem nicht weit entfernten Nonnenkloster als Geschenk angeboten. Die Bedingung: Sie muss religiösen Zwecken dienen. So konnte das 1959 von den Gebrüdern Vermeulen te Weert gebaute zweimanualige Instrument 2002 in der Vloedschuur-Scheune aufgestellt werden. Da es im Kloster in einer Nische stand und keinen Prospekt hatte, wurde ein solcher in Lattenform nachträglich geschaffen. Wie das Bild erkennen lässt, steht die Orgel ebenerdig und dies im wahrsten Sinne des Wortes, denn der Boden besteht aus aufgeschütteter Erde. Das Werk hat mechanische Traktur und steht auf der Stimmung a1= 440 Hz. Seine Disposition ist einfach, aber zweckmäßig: fünf Register im Hauptwerk (mit Mixtur 3-fach, aber ohne 2'), sieben Labialstimmen im Schwellwerk (hier kommt ist dann eine Octaaf 2' dazu) und die einzige Zungenstimme in Form der Schalmei 8'. Im Pedal stehen drei Labiale, darunter ein Gedackt 8'. Das Schwellwerk ist mit Tremulant und Schwelltritt ausgestattet. Eine genaue Liste enthält die Website von Sygsoft, dem Produzenten des Sample-Satzes für HW 1 (!). |
Trotz der vergleichsweise wenigen Register zeigt sich die Orgel gut ausgestattet eben nicht nur für gottesdienstliche Zwecke, sondern auch zur Interpretation gängiger Literatur. In der Sample-Übertragung nach HW 1 gilt, dass der umgebende Raum und seine (vom Sample-Satz-Anbieter definierte) Einbeziehung beim Beleuchten der klanglichen Eigenschaften nicht übersehen werden dürfen. Lange nachschwingende Rückwürfe darf man in einer ehemaligen Scheune nicht erwarten, bekommt aber auch gleichzeitig eine gewisse Freiheit von Stehwellen.
Selbstverständlich kann man die Orgel nach HW 2 importieren; sie benötigt dann etwas über 1 GByte freien Speicher. Dies ist jedoch mit einer echten nach HW 2 nicht zu vergleichen. Neben der Windmodellierung, der realistischeren Nachbildung des Schwellers würde sich zweifellos die Verringerung der Stakkato-Artefakte (wie sie auch teilweise in den Demo-Clips zu hören sind) besonders bemerkbar machen. Fred de Jong von Sygsoft möchte zunächst die generelle Resonanz abwarten, bevor er die aufwändige Anpassung für HW 2 vornimmt. Wer meint, dass das Vloedschuur-Instrument Qualitäten aufweist, die eine Migration nach HW 2 rechtfertigen, sollte dies per Mail an Sygsoft weitergeben. Vom Preis der Sample-CD von 50,00 Euro geht ein Teil an die Gemeinde.
Hinzu kommt noch, dass die ebenerdige Aufstellung einen deutlichen Anteil an engen/nahen Reflexionen bewirkt, den Sygsoft nicht völlig unterdrückt hat. Wie man den Demos ebenfalls entnehmen kann, rückt das Instrument ein Stückchen vom Zuhörer/Spieler weg; besonders bei Kopfhörerwiedergabe sitzen die Töne nicht 'auf dem Trommelfell', so dass sich sehr schnell an das Ambiente gewöhnt. In der sparsamen Disposition erlauben Sesquialter 2-fach, Scherp 3-fach im Schwellwerk und sowie die Mixtur 3-fach im Hauptwerk im Tutti ein ergänzenden Klangkrone und - wie man den Demo-Clips auf der Sygsoft-Website entnehmen kann - reichen Zungenstimmenfarbe und Schweller auch für die Boëllmannsche Suite Gothique, zumal eine Version mit leicht erweitertem Umfang von Manualen und Pedal ebenfalls zur Verfügung steht. Das Pedal ist gut ausgewogen in den Stimmen, wie überhaupt sich alle Farben sozusagen auf einem 8'-getönten Hintergrund gut miteinander vertragen.
originale...
...und erweiterte Version der Orgel in Hauptwerk